Heimatgeschichten 2 – Worms
Napoleon läßt grüßen
Schloss Herrnsheim liegt nicht eben am Weg, es ist nicht besonders bekannt, und will, wie im Märchen, erst gefunden werden: ein architektonisches Schmuckstück aus einer Epoche, die in Deutschland recht selten vertreten ist, dem Empire. Ob sich hier wieder einmal die Nähe zu Frankreich zeigt? Auf alle Fälle war Napoleon um die Ecke, bevor er nach Elba entschwand, noch heute gibt es in kleinen Weindörfern am Rhein zwischen Worms und Mainz schmiedeeiserne Tore mit dem berühmten N.
Es war der Bauherr Joseph von Dalberg, der den Imperator bewunderte, der im Jahre 1811 den Neubau der ehemaligen Wasserburg in Empire-Stil errichten ließ, seit Napoleons Ägyptenfeldzug en vogue. Eine Mischung aus Klassizismus und Orientalismus. Und weil die kulturbeflissene Tochter des Hauses justement zu der Zeit in Neapel war und lebte, als man Pompeij wieder entdeckte, wurde das Interieur im nachempfundenen pompeijanischen Stil ausgemalt.
Pariser Tapeten und kostbares Parkett beherbergten recht wahrscheinlich Friedrich Schiller, da Hausherr Dalberg zur der Zeit der Uraufführung der damals heftigst umstrittenen „Räuber“ Intendant in Mannheim war. Ganz sicher aber ehrte Zar Nikolaus II 1903 das Haus mit seinem Besuch.
Um ein Haar wäre das so seltene Empireschoss mitsamt barocken Wirtschaftsbauten Anfang der sechziger Jahre sogar abgerissen worden, was einer Sünde gleich gekommen wäre. Doch dank eines klugen damaligen Bürgermeisters kann man immer noch im kleinen englischen Garten der Anlage verweilen. Ein Gang hindurch ist zwar keine Weltreise, lohnt sich aber. Im hübschen Park wandelt man zwischen den Überresten des Wasserschlosses, einem kleinen Teich mit Inselchen und zierlichen Brücken, grünen Wiesen und durch dichtes Buschgehege. Verträumt und verspielt, wie es sich für ein Märchenschloss gehört.