Ein Besuch bei André Heller
Zeit der Abendröte – Ein Besuch bei André Heller in seinem Garten am Gardasee
Wie eine Art Zwielicht zwischen Morgenland und Abendland erwartet den Besucher der Giardino Botanico im kleinen Gardone am Gardasee, eine perfekte Mischung aus Elementen alpiner, mediterraner und asiatischer Fauna, angeordnet von der sublimen Ordnung des Meisters selbst, bei freier Selbstentfaltung. “Der Garten hat mich gefunden”, lächelt Andrè Heller inmitten seiner Herrlichkeiten. Des letzten Zaren Zahnarzt, Dr. Arturo Hruska, hatte nicht nur die weiße Villa in venezianischem Stil erbauen, sondern auch den Garten anlegen lassen, der nach dem Tod des Mediziners eine unrühmliche Behandlung erfuhr. Hinterlassen hatte Hruska das Haus seinen Erben, den Garten jedoch der Gemeinde, die, wie leider so oft in Italien, kein Interesse an der Pflege des idyllischen Stückchen Erde hatte und es verkommen lies.
Die Erben waren verstritten, als Andrè Heller, der sich eigentlich auf der Giudecca in Venedig hatte niederlassen wollen, das Rufen der Pflanzen via eines Freundes aus dem benachbarten Salò wahrnahm – und sofort kaufte. “Das Haus war völlig verfallen, die Schönheit des Gartens nur noch in Grundzügen erkennbar”, so erzählt der Freund von Kraft und Magie der Pflanzen von diesem Beginn einer großen Liebe. Zunächst aber lies er sich zwei Jahre Zeit, um zu schauen und sich inspirieren zu lassen, die Aura des Platzes wahr zunehmen, um dann das Richtige mit ihm zu tun. Also sanierte er zuerst das Haus und danach den Garten, so dass sehr viel Andrè Heller in ihm steckt, Einrichtung und Aufbau des Gartens stammen ausschließlich von ihm. “Eine Florasammlung von Weltgegenden ist es, Afrika und Südamerika, Asien, Europa und Australien ineinander verwoben”, so sieht ihn Heller selbst, der damit den Reichtum und die Vielfalt seines Inneren in die Gestaltung des Parks umgesetzt hat und sich damit pudelwohl fühlt.
Wir schlendern zwischen Edelweiß inmitten von Orchideenwiesen, meterhohen Baumfarnen und den immer wieder faszinierenden Granatapfelbüschen. Bäche und Wasserfälle, Teiche mit bunten Koi-Karpfen, Forellen, schillernde Libellen und anmutige Seerosen finden sich neben Hügeln aus Dolomitgestein oder Kakteen und Efeutürmen. Indische und marokkanische Skulpturen sind harmonisch eingefügt zu Installationen von Roy Lichtenstein, Susanne Schmögner, Mimmo Paladino und Keith Haring. “Ich beschäftige mich seit dreißig Jahren mit Gärten”, erklärt Andre Heller sein glückliches Händchen, “für mich ist ein Garten eine Schule der Geduld”. In der täglich fünf Gärtner büffeln, damit das Ergebnis eine 1 bekommt. Schönheit und Sinnlichkeit soll sein persönliches Shangri-La transportieren, denn Andre Heller ist, trotz seiner intensiven Beschäftigung mit der spirituellen Seite des menschlichen Daseins, ein Genussmensch.
“Ich glaube schon, dass wir spirituelle Wesen auf dem Weg zur Menschlichkeit sind”, stellt er seine Haltung außer Zweifel, allerdings sieht er sich in seiner Meinung keineswegs als Missionar. “Lieber löse ich Reaktionen aus, verschicke sozusagen eine Flaschenpost”, meint der Künstler, der sich nicht als solchen sieht. Eher als Entdecker: “Ich wollte immer auf etwas drauf kommen, und habe dabei die passenden Werkzeuge gefunden”, ist Heller zufrieden, in Stillstand gerät er deswegen noch lange nicht. “Mich zog immer das Verwunderliche, die Merkwürdigkeiten an, und das wird auch so bleiben”, so deutet er künftige Projekte an.
Eines davon wird ein neuer Garten sein, diesmal in Marokko, eine ehemalige Rosenfarm. “Über diesen Fund bin ich überglücklich, weil zum ersten mal alles von Anbeginn von mir sein wird”, freut sich der Gärtner aus Passion, auch wenn er der Meinung ist, dass die Perfektion im neuen Garten erst in 50-60 Jahren gegeben sein wird. Sein Paradies am Gardasee gehört ihm seit zwanzig Jahren und weil er Freude und Schönheit gerne mit anderen teilt, kann es im Sommer auch von normal Sterblichen besucht werden, um danach ein Stückchen Traum und Wunder mit nach Hause zunehmen.
Erschienen in der Rhein-Neckar-Zeitung