Reflexionen

Als ich gerade mit großer Freude das Sizilienbuch meiner Kollegin Almut Irmscher las, drangen lang vergessene Erinnerungen an die Oberfläche meines Hirns.

Denn im zarten Alter von 11 Jahren verfrachteten mich meine Eltern – wir schreiben das Jahr 1972 – in den gerade erworbenen Opel Rekord und starteten eine kleine Weltreise, jedenfalls fühlte es sich so an. Ich hatte auf der Rückbank eingeklemmt ein kleines Plätzchen, neben mir Berge von Gepäck. Es machte mir nichts aus, so konnte ich gut schlafen, wenn ich müde war. Man erzählte mir später, keines meiner drei älteren Geschwister sei so pflegeleicht auf Reisen gewesen wie ich und keines wäre tatsächlich überall hin zum Sightseeing mitgegangen. Denn es ging mit dem Zelt über Bozen nach Ravenna, an der Adria entlang nach Bari, das unfassbare Abenteuer mit einer Fähre nach Catania. Wir waren da, auf der Insel der Götter, auf Sizilien. Durften in der Laube eines echten Sizilianers zu Füßen des Ätna wohnen, wo die kleine Viola sämtliche Maulbeerbäume räuberte. Die Eltern hatten Natale und seine Frau im Jahr zuvor auf einem Campingplatz kennengelernt. Obwohl sie damals schon um und über die fünfzig Jahre alt waren, sind sie im ganz normalen Fünfsitzer und mit einfachem Zelt im südlichen Europa herumgefahren und haben sich Träume erfüllt. Damals fuhren wirklich noch bunte Eselskarren auf der Insel herum, es duftete nach Zitronen und Meer und dem allgegenwärtigen mächtigen Ätna. Von der Laube aus konnte man ihn nachts immer spucken sehen, ein beeindruckendes Spektakel. Die Leute pesten auf Vespas herum, und ich staunte, staunte, staunte.

Mein Vater, seines Zeichens Altphilologe, klapperte auf Trinacria, der Name seit griechischer Zeit, alles ab, was die Griechen und Römer hinterlassen hatten. Agrigento, Segesta, Selinunte, und, nie vergessen, Erice. Ich war überall dabei. Wundert es wirklich, dass ich später Klassische Archäologie studierte? Heute grabe ich in meinen Büchern nach menschlichen Untiefen und datiere Zeitabläufe in die richtige Reihenfolge. Viel geändert hat sich also nichts.